Samstag 20. September 2025

Theologisch-praktische Quartalschrift: „Kirche plural“

Vielfalt

Ausgabe 2/2021 der Theologisch-praktischen Quartalschrift (ThPQ) geht der Frage nach, ob die Kirche die Pluralität und Vielfalt der Umgebungsgesellschaft abbildet und ob Kirche überhaupt plural sein muss.

Vielfältig, differenziert, diversifiziert, global, multikulturell, multireligiös, heterogen – mit einem anderen Wort: plural –, so nehmen wir unsere westlich-demokratische Gesellschaft heute wahr, und mit diesen Begriffen wird sie von den entsprechenden Wissenschaften beschrieben. Denk- und Handlungsweisen, Ideen und Vorstellungen, Weltdeutungen und Meinungen, Organisations- und Sozialformen, ganze Lebensentwürfe existieren in einer kaum noch überschaubaren Vielfalt mehr oder weniger gleichberechtigt nebeneinander.

 

Aber Kirche? Ist sie auch plural? Bildet sie die Vielfalt der Umgebungsgesellschaft ab? Hat sie auf die Pluralitätsentwicklungen schon reagiert und bietet sie dem postmodernen Menschen unterschiedliche Möglichkeiten und Angebote, dies auch, um zeitgemäß zu sein und zu bleiben? Oder steckt sie in einem System fest, das sich vermeintlich über Jahrhunderte etabliert hat und aus dem sie nicht rauszukommen vermag? Muss denn Kirche überhaupt plural sein oder unterminiert sie damit ihre Botschaft und verliert so an Glaubwürdigkeit? Auf diese Fragen sucht das aktuelle Themenheft in gewohnter Weise Antworten von unterschiedlichen Blickwinkeln aus.

 


Cover Theologisch-praktische Quartalschrift 2/2021

 

Zunächst führt der Bonner Neutestamentler Martin Ebner vor Augen, wie vielfältig die Organisationsformen von Christentum gleich zu Beginn seiner Geschichte gewesen sind. Mal dem Vorbild des jeweiligen kulturellen Umfeldes nachempfunden, mal bewusst als Gegenmodell elaboriert, waren sie demokratisch, oligarchisch oder monarchisch verfasst, bei einer zugleich erstaunlichen Leerstelle: das spätere Priesteramt kennt man nicht. Die Art und Weise, wie die ersten Christinnen und Christen sich vergesellschaftet haben, kann Vorbildwirkung für heute haben.

 

Petrus Bayer, Kirchenhistoriker und Prämonstratenser Chorherr von Schlägl, schließt hier insoweit an, als er das Bild vom uniformen und homogenen Tridentinischen Katholizismus als Mythos entlarvt. Von den Zeitgenossinnen und Zeitgenossen des späten 19. Jahrhunderts zur Abgrenzung gegenüber der Umgebungsgesellschaft erschaffen, hält es der historischen Analyse nicht Stand. Noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts blieben die Gemeinden vor Ort plural in der Frömmigkeit und ohne einen residierenden Bischof. Die nachreformatorisch neu geschaffenen Normen waren mit der sozialen Wirklichkeit der Menschen nicht kompatibel und konnten nur langsam und mühselig in den jeweiligen kulturellen Kontext integriert werden.

 

Auf das Phänomen der Pluralität als im Menschsein selbst begründet verweist der Grazer Systematiker Daniel Minch. Gesellschaftliche Wirklichkeit wird von verschiedenen Individuen konstruiert und führt zwangsläufig zur Vielfalt. Demnach kann und muss Kirche, will sie authentisch sein, plural bleiben, was angesichts des Transzendenzbezugs nicht zur Beliebigkeit führt.

 

Ob Pluralität bzw. Pluralisierung am Ende Religion befördere oder hemme, erörtert Olaf Müller, Religionssoziologe in Münster, vor dem Hintergrund der aktuell diskutierten Theorien und wirft dabei einen Blick auf die konkreten Fallzahlen zu Kirchenaustritten seit den 1950er-Jahren. Er kommt zu dem Schluss, dass Entkirchlichung heute weniger auf den Wandel der Religiosität der Menschen zurückzuführen sei, als vielmehr auf den Bedeutungsverlust von Religion als solcher. Ihre Plausibilität gelte es neu zur Sprache zu bringen, dann könne Kirche auch konkurrenzfähig bleiben. Für einen solchen Ansatz votiert auch der Theologe und Unternehmensberater Georg Plank. Wenn Kirche noch viel deutlicher hinsichtlich Ideen und Gedanken, Sozial- und Organisationsformen in den produktiven Austausch mit der Umgebungsgesellschaft ginge, könnte sie von den Erfahrungen der Akteurinnen und Akteure im außerkirchlichen Bereich profitieren. Dabei gelte es zugleich das genuin Christliche als Innovationskraft einzubringen, indem es als Erbe wieder mehr in die heutige Zeit hinein übersetzt werde.

 

 

An alle diese Überlegungen schließen auch die beiden freien Beiträge an. Thomas Knapp fragt danach, wie die Fundamentaltheologie angesichts einer zunehmenden Säkularisierung im Dialog mit einer pluralen Gesellschaft das theologische Wirklichkeitsverständnis verantwortet zur Sprache bringen kann. Bettina Brandstetter plädiert dafür, Kindertageseinrichtungen mit ihrer Multikulturalität und Multireligiosität als ‚loci theologici‘ anzunehmen. Beide Beiträge waren als Vorträge zu Ehren des Linzer Fundamentaltheologen Hanjo Sauer aus Anlass seines 75. Geburtstags gehalten worden und kommen in diesem Heft – gefolgt von zwei weiteren im nächsten Heft – zum Abdruck.

 

 

Kirche ist von Beginn an plural gewesen, und sie ist es über die Jahrhunderte geblieben. Unterschiedliche Kirchen- und Gemeindemodelle mit ihren verschiedenen Ämtern und Diensten sowie ihren diversen Frömmigkeitsformen boten und bieten – immer wieder überdacht und korrigiert – die Möglichkeit, dem Christentum eine soziale Gestalt zu geben sowie den Glauben konkret zu leben. Darum stets verantwortet zu ringen und daran weiterzubauen, wird die bleibende Aufgabe von Kirche sowie die einer jeden Christin und eines jeden Christen sein.

 

Nicht nur die Kirche ist – bei allen Kontinuitäten – steten Wandlungen unterworfen, mit einem Wort: plural. Das gilt auch für das Redaktionsteam der Theologisch-praktischen Quartalschrift. Susanne Gillmayer-Bucher, Professorin der Alttestamentlichen Bibelwissenschaft, hat sich anderen Verantwortlichkeiten innerhalb der KU Linz gestellt. Ihr sei herzlich für ihren wachen Blick und ihre konstruktiven Ideen gedankt. An ihre Stelle tritt ein altbekannter Experte tritt: Franz Gruber, langjähriger ehemaliger Chefredakteur der Zeitschrift, wird das Redaktionsteam mit seinem Ideenreichtum und seiner interdisziplinären Kompetenz wieder bereichern.

 

Univ.-Prof.in Dr.in Ines Weber (für die Redaktion) / Katholische Privat-Universität Linz

 

 

Theologisch-praktische Quartalschrift auch als eBook, ePDF und digitales Abo erhältlich

 

Die Theologisch-Praktische Quartalschrift kann als Abonnement regelmäßig bezogen werden (4 Ausgaben im Jahr). Seit 2017 bietet der Verlag Pustet die Theologisch-Praktische Quartalschrift auch als eBook und ePDF an. Seit 2020 ist auch ein digitales Abo zum Preis von 34 Euro erhältlich.

 

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